Was bedeutet beim Kaffeehandel Fair?

Oder warum der Partnerschaftskaffee lieber auf das Transfair-Siegel verzichtet.

Heidelberg ist Fair-Trade-Town. Eine Auszeichnung, die von Transfair Deutschland vergeben wird an Städte, die sich zusammen mit ihren Bürgern für fairen Handel einsetzen. Gleichzeitig ist das wichtigste Produkt des Fairen Handels in Heidelberg, der Heidelberger Partnerschaftskaffee, nicht mit dem Transfair-Siegel ausgezeichnet. Ist dieser Kaffee denn nun fair, fairer als Transfair oder was steckt dahinter?

Die Verkaufsmengen für Fair gehandelten Kaffee steigen – in Heidelberg, aber auch in Deutschland insgesamt. Dass an dieser Entwicklung viele verdienen wollen, das entspricht den Gegebenheiten der Marktwirtschaft. Aber wie fair geht es zu im Umgang mit Kaffeeproduzenten, wenn z.B. das FairTrade-Siegel (Transfair) auf der Packung ist?

Entwicklung der Preise für Grundnahrungsmittel in NicaraguaDie vom Fairen Handel gezahlten Mindestpreise pro Libra (0,4536 kg) sind alt. Der seit langen zu Grunde liegende Wert von 120 US-Cent pro Libra entspricht der Interventionsschwelle beim Weltkaffeeabkommen (1962 bis 1989). Dieser Mindestpreis hat sich seither kaum verändert, Fairhandelsorganisationen übernahmen nach ihrer Gründung diesen sehr alten Wert einfach bei der Definition des Fairen Handels. Erst in den letzten Jahren wurde der Mindestpreis erst auf 125 US-Cent, die Sozialprämie von 5 auf 10 US-Cent und der Bioaufschlag von 15 auf 20 US-Cent erhöht. Damit liegt der Mindestpreis für konventionell angebauten Kaffee bei 135 US-Cent und für Biokaffee bei 155 US-Cent. Später wurden der Mindestpreis auf 140 US-Cent, die Sozialprämie auf 20 US-Cent und der Bioaufschlag auf 30 US-Cent erhöht. Die Importgemeinschaft des Partnerschaftskaffee hatte 2015 bei einem Treffen mit Vertretern von Kaffeekooperativen aus Lateinamerika den Mindestpreis für alle ihre Importe auf 160 US-Cent festgelegt, also über die Standard-Preise des Fairen Handels (nach FLO).

Aufgrund der langjährigen Verbindung zu Kaffeekooperativen hat sich beim Partnerschaftskaffee eine andere Sichtweise durchgesetzt. Im Mittelpunkt steht nicht der von einer Siegelorganisation festgelegte Preis, vielmehr steht die Situation der Produzenten und die Entwicklung der Produktions- und Lebenshaltungskosten an zentraler Stelle. So vervierfachten sich in Nicaragua (von wo der größte Teil des Partnerschaftskaffee kommt) die Preise für den Grundwarenkorb alleine schon zwischen 1994 und 2010.

Da sich die Kaffeepreise schon seit etwa 5 Jahren im Bereich um oder auch über dem Mindestpreis des Fairen Handels bewegen, haben die Produzenten kaum einen Vorteil vom Fairen Handel. Bei differenzierter Betrachtung zeigt sich sogar, dass der dank Sozialprämie 10 US-Cent über dem Weltmarktpreis liegende FairTrade-Preis nicht einmal die Kosten der Kooperative für Beratung und Vermarktung deckt. Will man eine gute Unterstützung der Bauern und demokratische Strukturen erhalten und ausbauen, sind alleine dafür ca. 15 US-Cent notwendig.

Der Partnerschaftskaffee zahlt bewusst einen deutlich höheren Betrag an die Kooperativen als sonst im Fairen Handel üblich. Dieser Preis setzt sich pro Libra folgendermaßen zusammen:

Beispiel für Einkaufspreis Rohkaffee (Zahlen aktuelisiert 2016)

Basispreis mindestens  160 US-Cent, (darüber Weltmarktpreis)
Sozialaufschlag20 US-Cent
Strukturprämie5 US-Cent
Bioaufschlag30 US-Cent
Bei Bedarf Qualitätsdifferenzial(15 US-Cent)
Projektaufschlag Partnerschaftskaffeeca. 50 US-Cent
Mindestpreis245 bzw. 260 US-Cent
zum Vergleich - Mindestpreis mit FLO/Transfair-Siegel für Biokaffee:190 US-Cent

Unter den aktuellen Preisbedingungen macht es u.E. keinen Sinn, den Kaufpreis incl. Projektaufschlag direkt an die Produzenten auszuzahlen. Zu groß wäre die daraus entstehende Ungleichheit zwischen den Produzenten, die das „Glück“ haben, an den Partnerschaftskaffee zu liefern, während ihre Nachbarn in die Röhre schauen. Aus diesem Grund wird der Projektaufschlag für Sozialprogramme der Kooperative verwendet. Über die Verwendung des Projektaufschlags entscheidet die Kooperative in Kooperation mit dem Partnerschaftskaffee.

Arbeitszeit in Deutschland für den Kauf von 500g Röstkaffee (bei Durchschnittseinkommen)Das besondere am Partnerschaftskaffee gegenüber anderen Fairhandelsorganisationen ist nicht nur der deutlich höhere Preis (wohl einmalig in Deutschland), sondern auch die enge Partnerschaft und der regelmäßige Austausch zwischen den Kooperativen und dem Partnerschaftskaffee. Diese Partnerschaft trägt wesentlich dazu bei, die Bedürfnisse der Produzenten ernster zu nehmen und nicht am grünen Tisch Preise festzulegen, die dann als Fair bezeichnet werden.

Kritik der Produzenten am FairTraide-System

Kaffeeproduzenten fordern schon seit Jahren, dass die Mindestpreise des Fairen Handels angehoben werden müssten – entsprechend der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Durchsetzen konnten sie sich mit dieser Forderung bei der Fairtrade-Labeling-Organization (FLO) nicht. Damit der Nachschub an Kaffee weiter stimmt und die Produzenten ihre Interessen nicht durchsetzen können, werden immer mehr Zusammenschlüsse von Produzenten ins FLO-Regierst aufgenommen – auch dann, wenn die demokratischen Strukturen einer Kooperative gar nicht gegeben sind.

Der Kaffeepreis muss den Produzenten ein würdiges Leben ermöglichen

Gegenüber den Verbrauchern argumentiert die Fairtrade-Siegelorganisation FLO, dass die Händler/Röster für die Überprüfung der Arbeit der Kooperationspartner Siegelgebühren zahlen würden. Darüber hinaus verlangt FLO aber auch von den Produzenten Siegelgebühren und versucht dabei gerne, die Bemessungsgrundlage auf alle Kaffeemengen auszudehnen, die nach einem Mindestpreissystem gehandelt werden.

Aus den Erfahrungen des Partnerschaftskaffee sind viele Kritikpunkte der Produzenten an dem Fairhandelssystem von FLO berechtigt. Wenn das FLO-System eine Zukunft haben soll, dann wäre es ganz wichtig, dass es innerhalb des Systems eine deutlich bessere Vertretung der Interessen der ins System eingebundene Produzenten gibt. Aber selbst dann hätte der Partnerschaftskaffee keinen wesentlichen Vorteil aus der Zertifizierungsstruktur von FLO. Denn solche Besonderheiten wie die zusätzliche Projektförderung des Partnerschaftskaffee und der direkte Austausch werden von den Zertifizierern von FLO gar nicht untersucht.

Frauen in der Kooperative UCPCOPartnerschaftliche Kooperation

Die Auszeichnung von Heidelberg als FairTrade-Town ist natürlich dennoch eine schöne Sache. Alles was zur differenzierten Auseinandersetzung mit der Situation von Kleinbauern und Kleinproduzenten im Süden beiträgt, ist eine hilfreiche Sache. Nur darf das Engagement für die Produzenten und ihre Organisationen nicht verwechselt werden mit der plakativen Werbung für ein Siegel. Denn wie das Beispiel Kaffee zeigt, profitieren Kleinbauern und Kooperativen nicht von Siegeln. Vorteile für Produzenten bringen aber eine partnerschaftliche Kooperation und Förderung, wenn sie sich intensiv für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen einsetzt.

Artikel 08/2010, aktualisiertes Zahlenbeispiel 2016